Unkraut oder Beikraut: Wo die Pflanzen lästig werden und welche Heilwirkung in ihnen steckt
„Unkraut“ im Garten gilt oft als Feind der Nutz- und Zierpflanzen, denn es verdrängt alles. Sieht man es dagegen als Beikraut, können die Pflanzen auch überaus nützlich sein.
München – Es ist gewissermaßen eine Glaubensfrage, wenn es um „Unkraut“ im Garten geht. Die einen wünschen sich perfekte Rasenflächen und makellose Beete mit hohem Ertrag. Konkurrierende Pflanzen haben da nichts zu suchen. Andere Gartenfans dagegen freuen sich über das Bisschen Natur, das sich dort im eigenen Grün ausbreitet und nutzen das Beikraut auch in der Küche. Wir möchten beide Sichtweisen beleuchten.
Unkraut oder Beikraut: Wo die Pflanzen lästig werden und welche Heilwirkung in ihnen steckt
Viele kennen es vielleicht noch aus ihrer Kindheit: Spätestens am Samstag wurde der Rasen einheitlich kurz gemäht, die Büsche in Form gebracht und die verblühten Blumen abgeschnitten. Der Garten sollte vor allem ordentlich aussehen. Ein Widerspruch zu heimischen Pflanzen war das nicht unbedingt, doch Unkraut musste meist weichen. Auch heute ist dieses „Idealbild“ eines Gartens noch sehr präsent, alleine durch die Werbung werden wir täglich damit konfrontiert.
Das andere Extrem (wenn man so will) sind Naturgärten, in denen die Natur die Oberhand hat. Heimische Pflanzen säumen die Wege und dürfen sich meist frei entfalten. Struktur fehlt dort meist keineswegs, sie ist aber für Außenstehende nicht unbedingt sichtbar.
Häufiger Streitpunkt im Garten: Unkraut. Schon der Begriff sorgt für Diskussionen und längst hat sich „Beikraut“ als deutlich freundlichere Option etabliert.
Unkraut oder Beikraut: Die Begriffe und ihre Bedeutung
Als Unkraut wird gemeinhin alles bezeichnet, das nicht angebaut wurde und eher unerwünscht ist. Alles, was Kulturpflanzen bedrängt oder gar unterdrückt und mit ihnen in Konkurrenz steht. Das kann durch Konkurrenz um Nährstoffe geschehen, durch regelrechtes Überwuchern oder auch, indem die Pflanzen im Gegensatz zu Kulturpflanzen einfach besser angepasst sind. Nährstoffe, Raum, Wasser und Licht sind die Ressourcen, um die „Unkräuter“ und Kulturpflanzen konkurrieren, meist zum Vorteil des Unkrauts. Auch wenn Unkraut sich auf besonders schützenswerten Flächen aussät, kann das ein Problem werden. Es gibt beim Unkraut beispielsweise Ackerwildkräuter und auch Ruderalpflanzen, die oft zum Unkraut gezählt werden. Die Vorsilbe „Un“ suggeriert dabei etwas Negatives, das die Pflanze an sich aber gar nicht definiert. Begleitvegetation träfe es wohl besser.
Daher hat sich inzwischen vor allem bei Naturgarten-Fans der Begriff „Beikraut“ durchgesetzt, auch „Wildkraut“ wird gerne genommen. Diese neutraleren Begriffe beschreiben dieselben Pflanzen. Wobei eine klare Differenzierung fehlt. Was für den einen Unkraut ist, kann für den anderen eine wertvolle Heilpflanze sein.
Unkraut oder Beikraut: Lästig oder hilfreich? Eine Frage der Perspektive
Wann und ob eine wild wachsende Pflanze im Garten stört, hängt sehr von den Gärtnerinnen und Gärtnern ab. Es gibt einige Aspekte, die dafür sprechen, Beikraut komplett oder teilweise zu entfernen:
- Allergien*: Allergiker mit eigenem Garten reagieren meist entweder auf Pollen, Gräser oder Insektenstiche. Je nach Ausprägung kann dann natürlich eine angepasste Gartengestaltung sinnvoll sein. Beispielsweise ohne viele Blumen oder ohne große Rasenfläche.
- Kinder: Gerade kleinere Kinder treten vor lauter Euphorie im Garten schnell auf stechende Insekten oder versuchen Biene, Hummel und Co. zu fangen. Daher kann es sinnvoll sein, zu Beginn einige Teile des Gartens frei von Pflanzen wie Wiesenklee oder kriechendem Günsel zu halten, die besonders viele Insekten anlocken.
- Eigene Vorstellungen: Und natürlich haben Gartenfans auch das Recht, ihren Garten (entsprechend eventueller örtlicher Vorgaben) individuell zu gestalten. Dazu kann natürlich auch eine eher steril wirkende Rasenfläche gehören, wie das oft bei Neubauten der Fall ist. Gerade Design-Objekte beziehen oft auch den Garten in das Gesamtbild mit ein und er wird dementsprechend exakt geplant. Auch das kann natürlich auch mit heimischen Pflanzen gehen.
- Ertrag: Ein wichtiger Punkt ist vor allem für Selbstversorger der Ertrag bei der Obst- und Gemüseernte. Hemmen Beikräuter das Wachstum der Früchte oder schaffen ideale Bedingungen für Krankheiten und Schädlinge, sollte gejätet werden. Das Beet ist daher meist einer der Orte ohne Beikraut im Garten.
In der Realität sieht es dann meist eher so aus, dass Kindern der Garten und auch gewisse Gefahren näher gebracht und erklärt werden. Vor allem Giftpflanzen wie der Fingerhut sind dabei ein Thema. Und auch der schönste Rasen braucht intensive Pflege, um den Sommer zu überstehen. Früher oder später breiten sich Wildpflanzen dann meist von selbst aus.
Andererseits gibt es natürlich auch gute Argumente für Beikraut im Garten (zumindest an einigen Stellen):
- Insekten: Allen voran freuen sich Insekten über die meisten blühenden, heimischen Wildpflanzen. Klee im Rasen lockt sie beispielsweise zuverlässig an. Schmetterlinge sind oft auf bestimmte Pflanzen wie Brennnesseln angewiesen für ihre Raupen. Mit etwas Artenvielfalt unter den Gartenpflanzen unterstützen Sie so auch die Tierwelt.
- Vögel: Anschließend an den ersten Punkt, stürzen auch Wildvögel sich gerne auf Gräser, Löwenzahnsamen oder beispielsweise die Wegwarte. Wie Sie sehen ist der Übergang von „Unkraut“ zu wertvoller Pflanze hier fließend, Wegwarten werden im Gegensatz zum Löwenzahn beispielsweise meist gezielt gesät.
- Heilpflanzen: Einer der für uns Menschen wichtigsten Punkte sind auch Heilkräuter. Eine Hausapotheke vor der Tür ist ideal, wenn man sich mit den Pflanzen gut auskennt und sie sicher bestimmen kann. Auch in der Küche finden viele Wildkräuter und ihre Blüten Verwendung. Aus den Wurzeln der Wegwarte können Sie sogar Kaffee-Ersatz machen.
- Jauche und Gründüngung: Klee beispielsweise ist auch eine gute Gründüngung. Aus Brennnessel oder Ackerschachtelhalm lässt sich eine gute Jauche herstellen. Zudem mögen Schnecken manche Gartenpflanzen gar nicht, sodass diese gezielt zur Schneckenabwehr genutzt werden können.
Etwas anders verhält es sich dagegen mit Neophyten. Das sind Pflanzen, die bei uns eigentlich nicht heimisch sind, sich aber dennoch ansiedeln und ausbreiten. So wurde nun beispielsweise in manchen Städten der beliebte Kirschlorbeer verboten. Auch Bambus verbreitet sich ohne Wurzelsperre sehr schnell. Zudem haben viele dieser Pflanzen für die heimische Tierwelt kaum Nutzen*.
Idealerweise beinhaltet der eigene Garten daher heimische Pflanzen am für sie passenden Standort, eventuell ergänzt um ein paar hübsche, aber nicht heimische Zierpflanzen. Ob Gartenfans Beikraut nun loswerden oder einfach verwenden möchten, bleibt jedem selbst überlassen. Für beide Seiten gibt es aber gute Argumente. Ideal wäre daher auch im sonst strukturierten Garten eine wilde Ecke. *24vita.de und HNA.de sind ein Angebot von IPPEN.MEDIA.
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