Beliebte Zimmerpflanze und begehrte Schmugglerware – warum Orchideen so faszinieren
Aphrodisiakum, Schmuggelware und Sammlerobjekt: Autorin Noemi Harnickell erzählt im Interview, warum die Pflanze die Menschen so in ihren Bann zieht.
Wer einmal bewusst auf sie achtet, entdeckt sie überall: Orchideen. Sie stehen auf Fensterbänken von Wohnungen, in Schaufenstern und sind in so gut wie jedem Supermarkt erhältlich. Meist handelt es sich dabei um die gleiche Sorte: die Phalaenopsis. Die Zimmerpflanze wird mühevoll über mehrere Jahre in großen Zuchtbetrieben in Europa aufgezogen und steht dann im Laden für wenige Euro zum Verkauf.

Doch die Orchidee ist weit vielfältiger, als man denkt. Geschätzt 30.000 Arten gibt es weltweit, erzählt die Schweizer Schriftstellerin und Journalistin Noemi Harnickell im Videointerview mit IPPEN.MEDIA. Für ihr Buch „Verstörend betörend - Im Bann der Orchidee“ hat sie sich intensiv mit den Mythen, dem illegalen Handel und der Zucht der Pflanze beschäftigt.
Viele Orchideenarten wachsen im tropischen Dschungel
Die meisten Arten unterscheiden sich in Form und Farbe deutlich von dem gleichförmigen Supermarktprodukt. Die Blüte der heimischen Hummel-Ragwurz ähnelt einer Hummel, die auf einem Blatt sitzt. Das Knabenkraut erinnert in seiner Form an Hyazinthen und bei der Dracula simia sieht die Blüte aus wie das Gesicht eines Affen.

Asiatische Arten wachsen dagegen oft auf Bäumen in tropischem Klima. Ihre Luftwurzeln ranken sich um die Äste. Orchideen sind anspruchsvolle Pflanzen und brauchen exakt passende klimatische Bedingungen, sonst gehen sie ein. „Ganz viele Sammler beschreiben diesen Adrenalinkick, wenn die Pflanze zum ersten Mal blüht, nachdem sie sie gezüchtet haben“, erzählt Harnickell.
Die Pflanzen faszinieren die Menschen schon seit Jahrtausenden. In der griechischen und römischen Antike glaubten sie sogar an eine aphrodisierende Wirkung der Orchidee. Grund dafür war die hodenähnliche Form der Knolle. Die zarten Blüten assoziieren viele mit Weiblichkeit, erklärt die Autorin in ihrem Buch.
Die Orchidee, die wir im Supermarkt kaufen, ist mindestens zehn Jahre alt.
Wilderer machen Jagd auf Orchideen

Im 19. Jahrhundert entstand dann ein regelrechtes Orchideenfieber. Europäische Sammler und Wilderer brachen nach Asien und Südamerika auf, um die exotischen Pflanzen aus ihrer heimischen Umgebung zu entfernen und sie in Europa an Gewächshäuser zu verkaufen. Denn eine Orchidee aus einem fernen Land war ein begehrtes Statussymbol, erfahren die Leser.
Die Wilderer gingen dabei skrupellos vor, berichtet Harnickell. Mithilfe von Einheimischen wurden Bäume gefällt oder gleich ganze Urwälder gerodet. Die harte Arbeit war allerdings oft umsonst, denn nur ein Bruchteil der Pflanzen überstand die lange Schiffsfahrt nach Europa, was sie umso wertvoller machte. Mittlerweile sind alle Orchideenarten geschützt, der Import und Export streng reglementiert – was sie wiederum immer noch zur begehrten illegalen Ware macht, so Harnickell.